Gegen Atomkraft und für erneuerbare Energien am Potsdamer Platz in Berlin

20 Jahre nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl findet auf dem Potsdamer Platz in Berlin ein Aktionstag gegen Atomenergie statt. Benjamin Albrecht interviewt hier Anwesende – viele vom freiwilligen ökologischen Jahr. Was ist ihre Meinung zur Atomenergie? Warum sind sie dagegen? Was sind die Alternativen?

Direkter Link:

YouTube www.youtube.com/watch?v=wTEUKkVDTlc

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Freiwilliges ökologisches Jahr www.foej.net, www.foej-berlin.de

BUND für Umwelt und Naturschutz www.bund-gegen-atomkraft.de

Mütter gegen Atomkraft e.V. – Zukunft ohne Kernkraft www.muettergegenatomkraft.de

Auf dem Weg zum überregionalen Freifunk-Netz

Viele Freifunker kennen das: Man ist der erste und hat keinen Kontakt zur „großen Wolke“. Auch wenn sich einige Freunde in der Umgebung mit anschließen, solange kein Kontakt zur großen Wolke besteht, bleibt das Freifunk-Erlebnis doch ziemlich unspektakulär. Warum also den ganzen Aufwand betreiben und mitmachen? Warum nicht warten, bis sich die Lücke zu zum lokalen Netz schließt?

Um verstreute Netze – kleine und große miteinander zu verbinden, gibt es nun das FreifunkVPN-Projekt. Denn, mittels VPN-Technik ergibt sich die Möglichkeit einzelne Wolken über das Internet mit einem Tunnel zu verbinden und so die Freifunkwolken in einer Stadt und sogar die Netze verschiedener Städte in einem gemeinsamen überregionalen Freifunk-Netz zu vereinen. Dies ermöglicht nun auch den Freifunkern in kleinen Netzen mit größeren Freifunk-Wolken in Kontakt zu treten und so direkt mit entfernten Teilnehmern zu kommunizieren – ein starker Motivationsschub. Auf der WE.FUNK06 ist die Idee konkret vorangetrieben worden. Freifunker aus Weimar, Leipzig und Berlin machten konnten nun die ersten Erfolge verzeichnen und die Netze von Weimar und Leipzig in einer prototypischen Einrichtung zusammenschalten. Ein Jahr zuvor hatte man an gleicher Stelle erste Überlegungen getroffen, nun konnte die zwischenzeitliche, sehr instabile Kopplung (mit viel NAT gewürzt) deaktiviert werden, mit einer skalierbaren Lösung in Griffweite.

Möglich wird die Kopplung der Netze durch die Installation von so genannten VPN’s – Virtuellen Privaten Netzwerken werden. Ein Virtual Private Network ist ein Computernetz, das zum Transport privater Daten ein öffentliches Netz (zum Beispiel das Internet) nutzt. Teilnehmer eines VPN können Daten wie in einem internen LAN austauschen. Die einzelnen Teilnehmer selbst müssen hierzu nicht direkt verbunden sein. Genauso wie einzelne Freifunk-Router in einem lokalen Netz können die „Freifunk-Wolken“ der verschiedenen Städte verstanden werden. Diese können dann durch Links miteinander vernetzt werden. Nicht nur ein stadtweites Netz, sondern ein großes Freifunknetz ist das Ergebnis. Die freien Netze von Weimar und Leipzig konnten experimentell über eine Kabelverbindung per DSL miteinander verbunden werden. Nun soll das Verbund-Experiment dauerhaft weitergeführt werden.

Auch bisher konnte sich theoretisch jeder mit entfernten Netzen über Tunnel und VPN verbinden. Dies verlangte jedoch spezifische Kenntnisse und einen nicht unbeträchtlichen Konfigurationsaufwand. Indem wir einige Server der verschiedenen Freifunk-Netze dauerhaft miteinander koppeln, bestehen die Verbindungen zwischen den Netzen ohne dass Teilnehmer eines Netzes ihren Computer konfigurieren müssen, um gleichzeitig in verschiedenen Netzen präsent zu sein. Die Konfiguration von VPN-Verbindungen auf einzelnen Rechnern zum Beispiel für Audiostreaming entfällt hierdurch. Die Freifunker hoffen nun, dass sie bald in der Lage sein werden die notwendigen Rechnerkapazitäten und DSL-Verbindungen zur Verfügung zu haben, um das Experiment dauerhaft fortzuführen.

Ein detailliertes Bild der Netze und des Verkoppelungsexperiments Weimar-Leipzig gibt es auf wiki.freifunk-leipzig.public-ip.org/index.php/NetzkopplungWeimarLeipzig.

Egmont hat zu diesem Thema im Freifunk-Wiki (freifunk.net/wiki/FreifunkVPN) eine Seite angelegt und erklärt wie die Implementierung der Idee aussieht. (Artikeltext u.a. auf Basis von Egmont)

Strategien der Informationsverarbeitung und das veränderte Kommunikationsverhalten bei der Nutzung moderner Medienkanäle

Mit der zunehmenden Nutzung moderner Medien offenbaren sich auch vermehrt Schattenseiten der Kommunikation per Email, Messengerdiensten, Blogs und SMS. Die Menge von Emailnachrichten führt zu Kommunikationsoverload, eine missverständliche Zeile beim Chatten belastet eine Beziehung und Probleme Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, führen zu einem Gefühl der Überforderung. Welche Strategien der Nutzer bei der Informationsverarbeitung ermöglichen es mediale Einschränkungen in den modernen Medien aktiv zu kompensieren? Das Verständnis von Kommunikationsprozessen, den Effekten und Folgen bildet den ersten Schritt für die Lösung von Kommunikationsproblemen, die bei der Nutzung moderner Medienkanäle auftreten. Doch wie sehen diese Kommunikationsprozesse tatsächlich aus? Wie beeinflusst die Interaktion in diesen Medien den Austausch? Welche Erkenntnisse liegen darüber vor? Um mich Antworten auf diese Fragen anzunähern, befasse ich mich in diesem Beitrag zunächst allgemein mit Kommunikationsprozessen, Sprache und dem Kanal einer Interaktion. Demfolgend betrachte ich die Kommunikationsbedingungen und insbesondere die kanalreduzierte Kommunikation im Speziellen. Die veränderten Umstände bei der Interaktion in den modernen Medienkanälen bedingen ein verändertes Kommunikationsverhalten. Das „Überfliegen“ von Texten und die Möglichkeit der Rückschau als ein Beispiel der veränderten Rolle des Geschriebenen als formal fixiertes Schriftstück verdeutlichen das sich wandelnde Kommunikationsverhalten. Dies ist ebenfalls im Zusammenhang mit einem veränderten Backchannel-Feedback zum Beispiel von Emails und SMS-Nachrichten zu beobachten. Nachrichten können nun auch lange im Nachhinein noch abgerufen werden. Die Vermündlichung der Schriftkommunikation mit zahlreichen Soundwörtern und Emoticons ist ein weiteres Beispiel für die Strategien der Nutzer bei der Informationsverarbeitung. Hierbei erscheint jedoch ein gemeinsames Verständnis der Kommunikationspartner zum einen über die Bedeutung der Zeichen und zum anderen über die Nutzung eines Mediums für eine dauerhaft erfolgreiche Interaktion unerlässlich.

Das Verständnis von Kommunikationsprozessen, Sprache und Kanal – Grundlage für die Lösung von Kommunikationsproblemen

Kommunikationsprozesse beruhen auf Zeichensystemen. Der Begriff der Sprache als Zeichensystem wurde maßgeblich von Ferdinand de Saussure geprägt. Sprache ist die wichtigste Basis der menschlichen Interaktion (vgl. Wittgenstein 2004: www.gutenberg.org/etext/5740).

[quote] „Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei geschaffenen Symbolen.“ (Sapir zitiert nach Lyons 1992: 13) [/quote]

Sprache ermöglicht die Darstellung eines vereinfachten Abbilds der Wirklichkeit. Sie ist ein Präsentationssystem in dem Sinne, dass zum Beispiel das Wort „Apfel“ ein Zeichen für den Apfel an sich ist (vgl. Wittgenstein 2004). Sprache ist nichts Starres, Unveränderbares, sondern wandelt und entwickelt sich fortlaufend (vgl. Coseriu 1974). Die Sprechakttheorie von Langshaw Austin (1962) und Searle (1969) gestattet durch die Unterteilung eines Sprechaktes die Betrachtung eines intendierten Sprechaktes im Gegensatz zu einem tatsächlich vollzogenen Sprechakt und ermöglicht den Blick auf ursächlich außersprachliche Kommunikationsprobleme und somit auch auf Kommunikationsprobleme wie sie bei der Nutzung der Kanäle im Internet auftreten können.

[quote] Nach Austin existieren Lokution (grammatisch-syntaktisch korrekte Satzstruktur, gebildet durch Lautbildungen, und eine Aussage), Illokution (Intention des Sprechers, gestützt durch Mimik, Gestik, Intonation), Perlokution (beabsichtigte Wirkung beim Empfänger, und ob dieser dies versteht und ob diese erreicht wird) … Eine Sprechhandlung (also ein Sprechakt) besteht nach [Searle] … aus bis zu vier Teilhandlungen, wobei eine Perlokution nicht immer vorliegen muss. Die vier Teileakte (nach Searle) sind: Lokution (grammatisch-syntaktisch korrekte Satzstruktur, gebildet durch Lautbildungen), Proposition (Aussage über die Welt bestehend aus Referent (Subjekt) und Prädikation (Objekt)), Illokution (Intention des Sprechers, gestützt durch Mimik, Gestik, Intonation), Perlokution (beabsichtigte Wirkung beim Empfänger, und ob dieser dies versteht und ob diese erreicht wird). (Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Sprechakttheorie, Version 19:57, 30. Apr 2006) [/quote]

Kommunikationsbedingungen in modernen Medien

Der Kanal spielt bei der computervermittelten oder medienvermittelten Kommunikation als Einflussfaktor eines Kommunikationsprozesses eine zentrale Rolle. Die Kommunikationstheorie von Watzlawick (1967) lenkt den Blick auf verschiedene Einflussparameter einer Kommunikation zwischen Sender und Empfänger. Eine Interaktion findet auf verschiedenen Ebenen statt – der verbalen, nonverbalen und inhaltlichen bzw. relationalen Ebene. Bei der kanalreduzierten Kommunikation werden einzelne Ebenen ausgeblendet oder zumindest abgeschwächt, andere Ebenen können stärker in den Vordergrund treten.

Ein wichtiger Unterschied bei der Kommunikation in modernen Medienkanälen ist, dass die örtliche körperliche Kopräsenz im Gegensatz zur Face-to-Face-Kommunikation nicht gegeben ist. Die Kopräsenz in der synchronen Kommunikation ist nur kanalgebunden möglich und findet unter den Bedingungen der computervermittelten oder medienvermittelten Kommunikation – kanalreduziert – statt (vgl. Döring 2003: 38ff). Die kanalreduzierte Kommunikation über ein Medium beeinflusst unweigerlich die Kommunikationsweise (vgl. Döring 2003: 149). Im internetbasierten Schriftaustausch können zum Beispiel Probleme auftreten, da die Implikatur (Grice 1993) des Senders nach Austin (1962) nicht unbedingt vom Empfänger genauso wahrgenommen wird. Die Implikatur erlaubt es einem Sprecher, mehr zu kommunizieren als seine Wörter es in ihrer Bedeutung an sich ermöglichen (Grice 1993). Es ermöglicht ihm das Gesagte kontextuell anzureichern – indem er etwas impliziert. Dies ist bei der Kommunikation im Internet umso schwieriger, da Austauschprozesse und Beziehungen sich hier ganz anders gestalten, als in der verbalen Kommunikation. Ausdrucksmöglichkeiten im Internet sind heute zwar nicht mehr nur auf Texteingabe beschränkt, Ton- und Videokontakte werden mit der Verfügbarkeit von Breitbandverbindungen zunehmend häufiger – doch bleibt die hauptsächliche Kommunikationsform (voraussehbar) auch weiterhin der schriftliche Austausch (vgl. Krempl 2003). Insbesondere bei der Schriftkommunikation äußert sich die ‘Kanalreduktion’ im Fehlen auditiver, visueller, olfaktorischer oder taktiler Faktoren (vgl. Döring 2003: 149).

Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten haben nicht nur zu einer schnelleren Zustellung von „Botschaften“ geführt, sondern auch zu einer Zunahme der zu verarbeitenden Informationen. Zahlreiche Informationen müssen in kurzen Zeiträumen verarbeitet werden. Nicht ausschließlich die Qualitäten, wie die schnelle Übertragbarkeit von digitalen Daten, auch die zu verarbeitenden Quantitäten von Informationen, beeinflussen das Nutzungsverhalten (vgl. Döring 2003: 161). Mit der zunehmenden Nutzung steigt ferner die Eigenproduktion von Texten an. Emails werden gelesen und müssen beantwortet werden, Blogeinträge werden verfasst und SMS-Nachrichten verschickt. Diese Massen-Interaktion macht den Zeitgewinn von Emails gegenüber Briefen, von SMS gegenüber Telegrammen, von Blogs gegenüber Zeitungen teilweise zunichte (vgl. Krempl 2003). Der Stellenwert des Geschriebenen, als schriftlich Fixiertes und Manifestiertes, nimmt hierdurch unweigerlich ab. Denn, mit der zunehmenden Textproduktion in Emails und Chats nimmt auch die (genaue) Rezeption des Geschriebenen ab. Die zur Verfügung stehende Zeit des Menschen ist beschränkt und die Aufnahmefähigkeit begrenzt. Die neuen modernen Medien manifestieren sich im täglichen Gebrauch somit nicht als Ersatz traditioneller Medien sondern vielmehr als Ergänzung zu den bestehenden individuellen Kommunikationskanälen. Sie substituieren diese nur teilweise.

Im Hinblick auf die Kommunikation in modernen Medien rücken folgend Strategien der Nutzer um Restriktionen kanalreduzierter Kommunikation auszugleichen ins Blickfeld.

Strategien der Informationsverarbeitung der Nutzer der modernen Medien

Die veränderten Qualitäten und Quantitäten von Kommunikationsprozessen haben Auswirkungen auf die Art und Weise der Kommunikation. Um das gestiegene Datenvolumen zu verarbeiten, nutzen Interaktionspartner neue Strategien der Informationsverarbeitung (Döring 2003:162). Die ‘Theorie der Informationsverarbeitung’ besagt, dass Menschen „ihr Kommunikationsverhalten in der Weise auf die technischen Systemeigenschaften [abstimmen können], dass mediale Einschränkungen hinsichtlich der Informationsfülle aktiv kompensiert werden.“ (Döring 2003:161) Welche Strategien lassen sich nun herausfiltern? Kann diese Kompensation festgestellt werden? Wie geschieht sie?

Das „Überfliegen“ von Texten und die Möglichkeit der Rückschau als ein Beispiel des veränderten Backchannel-Feedbacks

Strategien der Informationsverarbeitung zeigen sich beispielsweise darin, dass das „Überfliegen“ von Texten – die oberflächliche Betrachtung zunimmt. Der Nutzer weiß, dass er im Bedarfsfall jederzeit die Möglichkeit hat Informationen erneut abzurufen. Durch die Digitalisierung der Inhalte ergibt sich die Möglichkeit der Rückschau (vgl. Döring 2003: 157). Digitale Daten können ohne großen Aufwand archiviert und noch lange nach dem Empfang rezitiert werden. Die Archivierung von Email-Nachrichten gestattet zum Beispiel die Revision alter Nachrichten und die Suche nach Stichwörtern, Datum, Absender, Empfänger etc.. Derartige Möglichkeiten der Kommunikationsprozesse in den modernen Medien unterscheiden sich grundlegend von anderen Kommunikationsformen in ihrem Backchannel-Feedback (Kanal-Rückkopplung) (vgl. Clark & Brennan 1991: 143f). Die folgende Tabelle verdeutlicht unterschiedliche Eigenschaften von Kommunikationsformen und -kanälen in Bezug auf das Backchannel-Feedback.

Constraints Medium

Copresence

(körperlich)

Visibility

Audiblity

Contemporality

Simultaneity

Sequentiality

Reviewability

Revisibility

Face-to-Face

*

*

*

*

*

*

Video-Conference

*

*

*

*

*

Telephone

*

*

*

*

Terminal Teleconference

*

*

*

Answering Machine

*

*

Email / Mailingliste

*

*

Letter

*

*

SMS

*

*

Backchannel-Feedback bei unterschiedlichen Individualmedien (verändert und ergänzt nach Clark & Brennan 1991: 142)

Synchrone und Asynchrone Internetkommunikation und die Vermündlichung der Schriftkommunikation

Im Internetzeitalter ist ferner zunehmends zu beobachten, dass sich vermehrt bisher ausschließlich mündliche Komponenten auch in der Schriftkommunikation etablieren. Die synchrone Kommunikation im Chat gleicht zum Beispiel einem mündlichen Gespräch mehr als der asynchronen Kommunikation im Briefverkehr. Hier spiegelt sich der schnellere Kommunikationsfluss wieder. Texte werden nicht nur schneller gelesen, sondern auch schneller geschrieben. Eine derartige Strategie erfordert weniger Zeit und Anstrengung. In der Vergangenheit ging mit dem Aufkommen der verstärkten Schriftkommunikation die Dimension des Unmittelbaren verloren (vgl. Krempl 2003).

[quote] „War es in oralen Gesellschaften selbstverständlich, dass der Erzähler mit dem Publikum interagierte und jederzeit auf dessen Bedürfnisse eingehen und auf die Reaktionen der Zuhörer seinerseits wiederum reagieren konnte, so ändert sich diese Unmittelbarkeit mit dem Aufkommen der Schrift.“ (Sandbothe 1997: 149) [/quote]

Mit der Möglichkeit der Echtzeitkommunikation (synchrone Kommunikation), wie in Chats, erhält die Textkommunikation nun eine zeitaktuelle Dimension. Denn das Verfassen und Lesen von Texten, sowie eine Reaktion darauf finden hier nicht mehr zeitversetzt (asynchron) statt, bzw. die Antwortzeiten verkürzen sich (vgl. Krempl 2003). Die folgende Tabelle zeigt eine Auswahl synchroner und asynchroner Möglichkeiten der Kommunikation im Internet.

Kommunikationstyp

Asynchrone Internetkommunikation

Synchrone Internetkommunikation

Individualkommunikation (interpersonale Kommunikation

1:1

Email

VoIP-Telefonie (Internettelefonie)

Instant-Messaging

Chats

Gruppenkommunikation

n:n

Mailinglisten

Newsgroups

BBS (Bulletin Boards)

Internetgames

Peer-to-Peer-Netzwerke (Tauschbörsen)

Chats

Massenkommunikation

1:n

Websites

Blogs

Podcasts

Wikis

Websites

Blogs

Podcasts

Wikis

Tabelle: Auswahl asynchrone und synchrone computervermittelte Kommunikation (vgl. Döring 2003: 125, verändert und angepasst)

Die Kommunikationspartner haben in der Onlinekommunikation die Möglichkeit auf die Botschaft des Gegenübers ohne Zeitverzögerung zu reagieren. Hierdurch verkürzt sich jedoch ebenso die Zeit für eine aktive Reflektion. Über Geschriebenes in einem Chat kann nicht mehr genauso reflektiert werden, wie dies im Briefverkehr möglich ist (vgl. Döring 2003: 434ff). Verfügen die Kommunikationspartner nicht über ähnliche Vorstellungen bei der Mediennutzung, können hier Kommunikationsprobleme auftreten. Die Schriftkommunikation ist zudem limitiert, da Mimik, Gestik und Betonung, die auch die semantische Botschaft einer Aussage geradezu ins Gegenteil verkehren können, wegfallen (vgl. Weinreich 1997: 14f). Dennoch nach der Theorie der sozialen Informationsverarbeitung, können Menschen diese Beschränkungen durchaus aktiv kompensieren. Welche Möglichkeiten bieten sich dem Nutzer um diese Restriktionen auszugleichen? Oft spielen Emoticons und Soundwörter in der Schriftkommunikation im Internet oder per SMS ein Rolle. Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über Kompensationsmöglichkeiten medienvermittelter Schriftkommunikation.

Face-to-Face-Kommunikation,

Nonverbale Eindrücke

Computer- und medienvermittelte Schriftkommunikation,

Substitute

auditiv

visuell

olfaktorisch

taktil

Soundwörter/Emoticons

Aktionswörter/Emoticons

Aktionswörter/Emoticons

Aktionswörter/Emoticons

Tabelle: Kompensationsmöglichkeiten medienvermittelter Schriftkommunikation (spezifiziert und verändert nach Weinreich 1997: 15)

Derartige Substitute können zwar nicht die mannigfaltigen Ausdrucksmöglichkeiten menschlicher Mimik und Gestik ersetzen. Limitationen computervermittelter Kommunikation können mit ihrer Hilfe jedoch teilweise ausgeglichen werden. Die computer- oder medienvermittelte geschriebene Interaktion, die Internetsprache (vgl. Döring 2003: 182), wie zum Beispiel in Emails, Chats und Text-Messages, weist Elemente (und somit Kommunikationsweisen) auf, die so in der verbalen, bzw. bisher vorherrschenden (vergleichbaren) Schriftsprache (zum Beispiel in Briefen) kaum oder gar nicht auftraten (vgl. Manzenreiter 2002).

Manzenreiter (ibid.) beschreibt kulturbezogene Unterschiede zwischen Emitocons des westlichen Kulturkreises (USA/Europa) und Japan. Er weist darauf hin, dass derartige Zeichen kulturabhängig sind und ein gemeinsames Verständnis der Emoticons für eine erfolgreiche Kommunikation grundlegend ist. Ein oft unausgesprochenes Verständnis zwischen Interaktionspartnern muss genauso über die Art und Weise der Nutzung der Kommunikationskanäle vorliegen. Dies kann zum Beispiel Fragen der Häufigkeit betreffen – wie häufig werden Emails abgerufen? Was erwartet der andere? Wie schnell antwortet man? Bereits Watzlawick weist darauf hin, dass auch die Frage, wie schnell oder langsam eine Antwort erfolgt, eine Nachricht beinhalten kann. Und auch eine Nicht-Beantwortung einer Nachricht beinhaltet eine Botschaft. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (Watzlawick, de.wikiquote.org/wiki/Paul_Watzlawick, Version 15:47, 14. Apr 2006)

Fazit

Die Bedingungen bei der Interaktion in modernen Medien bedingen ein verändertes Kommunikationsverhalten. In dem Beitrag konnten einige Strategien, die es ermöglichen mediale Einschränkungen aktiv zu kompensieren, identifiziert werden. Diese betreffen zum einen Strategien die kanalreduzierte Kommunikation auszugleichen, zum anderen betreffen sie individuelle Probleme, wie zum Beispiel bei Kommunikationsoverload. Es zeigt sich zum Beispiel, dass das „Überfliegen“ von Texten zunimmt, um das Volumen des gesteigerten Datenflusses bewältigen zu können. Doch durch ein oberflächliches Lesen können neue Kommunikationsprobleme entstehen. Die Möglichkeit der Rückschau, Überprüfung und das Nachlesen wichtiger Nachrichten wirken diesem Trend jedoch entgegen. Eine Lösungsstrategie um verbale Ebenen der Kommunikation ausgleichen zu können, stellen ferner Emoticons und Soundwörter dar. Sie ermöglichen eine partielle Substitution verbaler Kommunikationsweisen. Ein gemeinsames Verständnis über die Bedeutung der oft kulturgebunden Zeichen ist dabei für die Interaktion notwendig. Ebenfalls grundlegend für eine dauerhaft erfolgreiche Kommunikation ist ein derartiges Verständnis über die Art und Weise der Nutzung von Kommunikationskanälen. Die Definition gemeinsamer Richtlinien der Nutzung ist zweckmäßig, um Kommunikationsproblemen vorzubeugen, beziehungsweise sie zu lösen. Es erscheint sinnvoll diese durch Metakommunikation – also eine Kommunikation über die Kommunikation – zu erreichen. Denn nur ein grundlegendes Wissen und gemeinsames Verständnis über die Möglichkeiten und Restriktionen der Kommunikation über die neuen Medienkanäle kann letztendlich helfen, Probleme, die zum Beispiel durch unterschiedliche Erwartungen der Kommunikationspartner herrühren, zu vermeiden.

 

 

 

Referenzen

Austin, J.L. (1962): How to do things with Words. Oxford: Clarendon Press.

Clark, H.H., Brennan, S.E. (1991): Grounding in communication. In: Resnick, L.B. Levine, J. M, Teasley S. D.: Perspectives on socially shared cognition. Washington, DC: APA Books: 127-149.

Coseriu, E. (1969) Sincronía, diacronía e historia. El problema del cambio lingüístico. Montevideo. Deutsche Übersetzung: Sohre, H. (1974): Synchronie, Diachronie und Geschichte. Das Problem des Sprachwandels. München: Fink.

Döring, N. (2003): Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen (2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage). Göttingen: Hogrefe.

Grice, H. Paul (1993 ): Logic and Conversation. In: Cole/Morgan (Hrsg.): Speech acts (=Syntax and Semantics, 3), S. 41-58.

Krempl, S. (2003): Schrift und Verschriftlichung. viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/soemz03/schrift.html.

Lyons, J. (1992): Die Sprache. München: C.H. Beck.

Manzenreiter (2002): Virtuelle Gemeinschaften oder lonesome otaku: Zur sozialen Integrationskraft des Internet in Japan. In: Günter Schucher (Hrsg.): Asien und das Internet. Hamburg.

Sandbothe, Mike, (1997): „149“. In: Beck, K., Vowe B. (Hrsg.): Computernetze – ein Medium öffentlicher Kommunikation? Berlin: Volker Spiess.

Searle, J. R. (1969): Speech Acts. Cambridge 1969; deutsch Sprechakte. Frankfurt 1983.

Watzlawick, P., Beavin, J.H, Jackson D.D., (1967, 2000): Pragmatics of Human Communication. A Study of Interactional Patterns, Pathologies, and Paradoxes. New York.

Weinreich, F. (1997): Modernde Agoren. Nutzungsweisen und Perspektiven von Mailboxsystemen. Wiesbaden: Deutscher Universitäts Verlag.

Wikipedia (Version 19:57, 30. Apr 2006): Sprechakttheorie. de.wikipedia.org/wiki/Sprechakttheorie.

Wikiquote (Version 15:47, 14. Apr 2006): Paul Watzlawick. de.wikiquote.org/wiki/Paul_Watzlawick.

Wittgenstein, L. (2004): Tractatus Logico-Philosophicus. In: Gutenberg Project: www.gutenberg.org/etext/5740.

Janischkeit in Berlin: Unser Ziel (Folge 4)

Der Jan gibt uns in dieser Episode einen Einblick in die Geschehnisse vor 16 Jahren. "Da wurde die Wand einfach runter gelassen." Irgendwie war es vorher "wie in einem Käfig und plötzlich, da wurden sie frei gelassen." … auch der aus der Provinz kommende Jan. Und heute ist es alles ziellos? Nein, es gibt ein Ziel! Und zwar…


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Vorhergehende Folge: Janischkeit in Berlin: Auf Kosten Anderer (Folge 3)

Das Wachstum des Indymedia-Netzwerks: Das erste global agierende alternative Mediennetzwerk

Indymedia wird zu Recht von vielen als erstes global agierendes alternative Mediennetzwerk angesehen. Das rasante Wachstum Indymedias wird bereits bei der Betrachtung der Website deutlich. Hier sind 165 Medienkollektive, die offiziell Teil des Netzwerks sind, aufgelistet – in mehr als 70 Ländern und auf allen Kontinenten. Das Wachstum des Netzwerks vollzog sich bisher vor allem in der westlichen Welt und Lateinamerika. Seit 2005 schwächte es sich hier jedoch erheblich ab. In anderen Weltregionen, zum Beispiel in Asien, bilden sich weiterhin neue Medien-Kollektive, jedoch nicht in dem Umfang wie es bisher im Westen zu beobachten war. Nichtsdestotrotz muss dies nicht zwangsläufig als ein abflauender Trend angesehen werden. Einerseits operieren bestehende Indymedia-Kollektive fortlaufend weiter und sind für neue Mitglieder offen. Andererseits sind in einigen Ländern vermehrt auch Indymedia-Kollektive aktiv, die keine eigenen Webpräsenzen betreiben und bereits bestehende Websites und andere Kanäle, zum Beispiel Blogs, für die Medienpublikation nutzen. Dennoch das Ziel der verstärkten Einbeziehung von unabhängigen Medienmachern und Bürgerreportern aus Afrika und Asien in das Netzwerk stellt die Indymedia-Macher vor neue Herausforderungen. Im Hinblick auf die verstärkte Zusammenarbeit der großen kommerziellen Internetdienste mit Regierungen (Geschäfte im "weltweit größten Gefängnis" für Internetnutzer, Keiner gewinnt, der Datenschutz verliert), könnte die mögliche anonyme Mitarbeit bei Indymedia, das Netzwerk insbesondere für Bürgerreporter aus Afrika und Asien jetzt wieder attraktiver machen.

[quote]“Indymedia is the first form of alternative media able to operate in a truly global manner. In a way never before realized, this alternative medium is able to connect voices of dissent across continents.” (Jankowski, Jansen 2003: 2)[/quote]

Indymedia entsteht 1999 als Alternative zu den führenden Medienmonopolen während den Demonstrationen gegen die World Trade Organisation in Seattle. Tausende berichten rund um die Uhr. CNN, Reuters America Online, Yahoo und BBC Online verlinken die Website. Sie wird allein während der Demonstrationen über 2 Millionen Mal abgerufen (vgl. Indymedia About Abruf 2.11.2005, Knapp, 2 Dez. 1999, Nach Kitaeff 2003 wurde die Site während der Proteste in Seattle 1.5 Millionen Mal abgerufen. Kitaeff, L. (Jan/Feb 2003): „Indymedia“. In: Utne, USA. 115, 85-86.).

[quote]„Despite having no advertising budget, no brand recognition, no corporate sponsorship, and no celebrity reporters, it received 1.5 million hits in its first week–more than CNN got in the same time.“(Whitney: 27 Jul 2005) [/quote]

Ursprünglich ist lediglich eine Berichterstattung während der Proteste gegen die WTO geplant, doch das Konzept erweist sich als längerfristig Erfolg versprechend und wird fortgesetzt. Nach der Battle of Seattle werden folgend viele nationale und lokale Seiten ins Netz gestellt, die alle am „i” mit Radiowellen zu erkennen sind. In den ersten 10 Monaten wächst das Netzwerk auf 33 Indymedia-Center an, die in 10 verschiedenen Ländern ansässig sind (vgl. Coleman, 2004, Meikle 2002). 2001 sind es bereits über 50 (CQ Researcher. 28 Sep. 2001: Reality according to www.indymedia.org.) und im September 2002 existieren ca. 90 Kollektive in 31 Ländern weltweit (Downing, 2003 [1]). Anfang 2003 gibt es 110 Indymedia Center (IMC) (Herndron, 2003), ein Jahr später, Anfang 2004, 134 Kollektive mit Webpräsenzen, sowie spezielle Indymedia-Projektseiten zu Themen wie Ökologie und Biotechnologie oder Indymedia-Radio– und TV-Projekten. Heute erhält die globale Website ca. 100.000 Hits pro Tag, während Großereignissen können es bei weitem mehr sein. Allein die italienische Website erhält zu Beginn des Irakkrieges 500.000 Hits pro Tag. In der Woche des Gipfeltreffens der G8 in Genua 2001 verzeichnet die Indymedia-Websites ca. 5 Millionen Seitenaufrufe (vgl. Indymedia FAQ Version 29.9.2005).

1 Wachstum der Anzahl der Kollektive von Indymedia

Die Größe des Netzwerks von Indymedia zeigt sich, sowohl bei der Betrachtung der Anzahl der Websites als auch im Umfang der Daten (vgl. Indymedia Website 2005). Bereits die Recherche bei den gegenwärtig marktbeherrschenden Suchmaschinen verdeutlicht dies. Bei einer Suche ohne Stichwort und der Einschränkung auf die Website indymedia.org listet Google 4,6 Millionen Webpages von Indymedia (vgl. Google 5. Februar 2006, Abruf 16:54 CET), Yahoo 5,34 Millionen Resultate (5. Februar 2006, Abruf 16:54 CET) und MSN 151,268 Resultate (5. Februar 2006, Abruf 16:54 CET) auf.

Laut Indymedia-Website haben sich weltweit mittlerweile 169 lokale Kollektive (165 offiziell assoziiert) mit eigenen Websites gebildet (vgl. Datenerhebung, Indymedia Website 2005), die auf Basis der Grundsätze von Indymedia, operieren. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl im Netzwerk organisierter Kollektive mit einer eigenen Domain oder Subdomain von 1999 bis zum 31. Dezember 2005. Als Datum der Kollektiv-Gründung wurde der Tag des ersten Posting auf den Websites festgelegt. Einbezogen wurden zudem Daten von Kollektiven, die nicht mehr aktiv sind (In der Vergangenheit lösten sich Kollektive nach einer anfänglichen Periode des Aufbruchs aufgrund mangelnder Mitwirkung (IMC Prag) oder politischer Probleme (IMC Zimbabwe) auf).

Jahresende

Anzahl der Indymedia-Kollektive

1999

1

2000

39

2001

70

2002

106

2003

136

2004

162

2005

169

Tabelle: Anzahl weltweiter Indymedia-Kollektive (eigene Datenerhebung auf Grundlage vorangegangener Untersuchungen und Raphael, vgl. lists.indymedia.org/pipermail/imc-normal-illinois/2004-December/0117-ac.html, Mon. Dezember 13 20:29:25 PST 2004, Mit einbezogen: Kollektive, die den Indymedia-Assoziierungsprozess noch nicht vollständig durchlaufen haben.)

Eine weitere grafische Übersicht verdeutlicht das rasante Wachstum insbesondere zwischen den Jahren 2000 und 2004. Aus der Darstellung geht ebenfalls hervor, dass die Expansion des Netzwerks sich im Jahr 2005 verlangsamt hat. Dies legt den Schluss nahe, dass Indymedia in Bezug auf die Anzahl von Kollektiven mit eigenen Websites ist Indymedia in eine Phase der Stabilisierung getreten ist.

Darstellung: Indymedia-Wachstum bis 31. Dezember 2005

Darstellung: Indymedia-Wachstum bis 31. Dezember 2005

Ein Trend erschließt sich bei der reinen Betrachtung der Anzahl der Kollektive mit Websites jedoch nicht. Im Netzwerk findet zunehmend eine Diversifizierung auf lokaler Ebene statt. Es bilden sich verstärkt örtliche Kollektive, die die bereits vorhandenen Websites und Ressourcen nutzen. Dies zeigt sich in Deutschland zum Beispiel beim Kollektiv aus Nordrhein-Westfalen, dass regelmäßig auf der deutschen Website Indymedias unter dem „Logo“ NRW publiziert (vgl. Indymedia NRW, Version 4. Januar 2006). Aber auch in Italien erfährt eine ähnliche Entwicklung. Hier finden sich zudem Kollektive, die zwar über eine eigene Website verfügen und von anderen lokalen Kollektiven der Region verlinkt werden, nicht jedoch von der globalen Website oder von Kollektiven in anderen Ländern. Nationale Websites als Aggregationsseite für lokale Indymedia-Kollektive, wie bei den United Kollekives in Großbritannien oder dem IMC Oceania mit Kollektiven aus Australien, Indonesien, den Philippinen und Neuseeland.

In der nachfolgenden Darstellung ist das Wachstum in Regionen in denen sich Indymedia-Kollektive gebildet haben einzeln dargestellt. Die Regionen East Asia, South Asia und Oceania sind in der Darstellung in einer Linie zusammengefasst. Ersichtlich wird ebenfalls, wann das erste und letzte Kollektiv in einer Region gegründet wurde. Die Einteilung basiert auf die Einordnung auf der Website von Indymedia. Die Grafik verdeutlicht, dass das Wachstum Indymedias in erster Linie in Nordamerika und Europa vonstatten ging.

 

Darstellung: Indymedia-Wachstum nach Regionen bis 3.Januar 2006

Darstellung: Indymedia-Wachstum nach Regionen bis 3.Januar 2006

 

1.1 Indymedia in Nordamerika

Das erste Posting von Indymedia erscheint am 24. November 1999 im Vorfeld der Anti-WTO Proteste (Seattle). Im folgenden Jahr gehen allein in den USA 19 weitere lokale Indymeda-Websites online. In den darauf folgenden Jahren 2001 und 2002 werden jeweils weitere 11 Kollektive pro Jahr gegründet. 2003 folgen weitere 10 neue Kollektive, 2004 – 8 Kollektive und im Jahr 2005 ein weiteres Kollektiv in Omaha. Die Daten zeigen vor allem in Nordamerika eine Verlangsamung des Wachstums der Anzahl von Kollektiven. Dieses Bild ergibt sich auch bei der Betrachtung der Entwicklung in Kanada. Die meisten Kollektive gründen sich in der Anfangszeit Indymedias. Als erstes Kollektiv in Kanada gründet sich am 2. Mai 2000 in Windsor. Einen Monat später folgen Alberta (11.6.2000, zwischenzeitlich inaktiv), Hamilton (18.6.2000) und Ontario (18.6.2000), dann Vancouver (13.8.2000) und Montreal (21.9.2000). Im Jahr 2001 gründen sich zwei weitere Kollektive – Maritimes (18.3.2001) und Victoria (7.8.2001), 2002 drei Kollektive und im Jahr 2004 findet die letzte Gründung in Kanada in Ottawa (26.11.2004) statt.

1.2 Indymedia in Lateinamerika

Das erste Indymedia Center in Lateinamerika entsteht bereits im Juni 2000 in Mexiko (21.06.2000). Im gleichen Jahr folgen Kolumbien (13.10.2000) und Brasilien (23.12.2000). Im Jahr 2001 bildet sich lediglich ein Kollektiv in Argentinien (01.04.2001). Den größten Zuwachs an Kollektiven in Lateinamerika erfährt das Netzwerk 2002. Neun Kollektive bilden sich in acht verschiedenen Ländern. 2003 folgen zwei Kollektive und 2004 weitere drei lokale Kollektive in Chile. Insbesondere das Indymedia-Center in der autonomen Provinz Chiapas in Mexiko erfuhr in der Vergangenheit auch in anderen Medien große Aufmerksamkeit. Die Medienmacher des IMC Chiapas sind eng mit der Zapatistischen Bewegung und dem Sprecher Subcommandante Marcos verbunden. Die aktive Nutzung der Möglichkeiten der neuen Medien, z.B. der Produktion von Radiosendungen durch Frauen in ländlichen Gebieten (www.radioinsurgente.org), bildet ein Vorbild für unabhängige Medienmacher weltweit ( Zapatistenradio im Internet). Die Sendungen können sowohl vor Ort als auch im Web empfangen werden.

1.3 Indymedia in Europa

Die europäische Geschichte von Indymedia beginnt mit dem Launch der Webpräsenz der britischen Indymedia am 1.Mai 2000 in London (vgl. Undercurrents History, Abruf 14. Mai 2005). Vier Wochen später folgt ein Kollektiv in Belgien (28.52000), dann in Frankreich (Das IMC Frankreich löste sich später auf. An seine Stelle traten lokale Websites von Kollektiven in ganz Frankreich.) (17.6.2000), Prag (11.8.2000, historische Site), Portugal (11.8.2000), Finnland (5.12.2000, historische Site) und regionale Seiten auf dem ganzen Kontinent. Die deutsche Website von Indymedia geht Anfang 2001 (vgl. Hintz 2003) online und gilt am Anfang vor allem als Forum für die Castortransport-Gegner (vgl. Hintz 2003). 2002 erhält das deutsche Indymedia-Kollektiv einen Poldi-Award für „praktizierte eDemocracy“ (vgl. Wegscheider 24. Dez. 2005) und wird folgend auch für den Grimme-Online-Award nominiert (vgl. Grimme Online Award, Abruf 30 Mai 2005). Während der Castortransporte im Jahr 2001 besuchen bereits täglich bis zu 8.000 User die Indymedia.de-Homepage, danach pendelt sich die Besucherzahl auf 4.000 ein (vgl. Freitag 20.04.2001). Bei der Betrachtung der Entwicklung von Indymedia in Europe ist auffallend, dass immerhin drei von sechs (Frankreich, Prag, Finnland) Indymedia-Websites, die in der Anfangsphase im Jahr 2000 gegründet werden, aufgrund von Problemen und mangelnder Mitwirkung später geschlossen wurden. Dennoch, insgesamt betrachtet, setzt sich das starke Wachstum Indymedias in Europa in den folgenden Jahren beständig fort. 2001 gründen sich in Europa 11 Kollektive, 2002 – 8 Kollektive, 2003 – 10 Kollektive, 2004 – 9 Kollektive und 2005 – 3 Kollektive (Ukraine indymedia.org.ua ist noch nicht offiziell assoziiert). Hier zeigt sich der gleiche Trend wie in Nordamerika.

1.4 Indymedia in Afrika

Das erste afrikanische Kollektiv gründet sich während der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban Südafrika im September 2001 (28.8.2001). Kollektive entstehen folgend in Nigeria (15.11.2001), Zimbabwe (28.02.2002, gegenwärtig inaktiv), in der Region Ambazonia (10.04.2002) und den Kanaren (09.09.2003). Im Mai 2003 geht die grenz- und kontinentübergreifende Website MadiaqIMC online (06.05.2003). Sie umfasst die europäisch-afrikanische Grenzregion Andalucia, Granada, Jerez, Malaga, Sevilla und Magreb.

1.5 Indymedia in der Region East Asia, South Asia und Oceania

Die Daten zeigen, dass sich von Anfang an auch in der Region East, South Asia, Oceania Kollektive etablieren. Hierbei handelt es sich jedoch in erster Linie um Kollektive, die in Australien und Neuseeland entstanden – vorwiegend anglophon geprägten Ländern, die sprachlich und kulturell westlichen Ländern näher stehen als umliegenden Nachbarländern. Die starke Integration Australiens in das Indymedia-Netzwerk kann zudem auf die starke Vernetzung des australischen Softwarekollektivs Catalyst mit Indymedia-Aktivisten in Seattle zurückgeführt werden. Die Gruppe programmierte die erste Software für die Website für Indymedia in Seattle (vgl. Madhava. “Reclaim the Streets, Reclaim the Code.” Punk Planet No. 43 (May, 2001) 101-103) und betreut auch heute noch viele Indymedia-Kollektive vor allem in Australien.

Die erste lokale Indymedia-Gruppe in Sydney Australien wird somit bereits im Juni 2000 (19.6.2000) Teil des Netzwerks. Das erste Posting von Aotearoa (Neuseeland) datiert auf den 1. Juli 2000. Einen Tag später geht Indymedia Melbourne online, dass folgend bei den Protesten gegen das World Economic Forum im September 2000 eine zentrale Rolle für die alternative Berichterstattung einnimmt. In den folgenden Jahren gründen sich Kollektive in Adelaide (1. April 2001), Perth (2.Februar 2003), Darwin (16. Februar 2004) und Brisbane (29. August 2004, historische Site).

In anderen asiatischen Regionen verläuft das Wachstum langsamer. Die erste Website eines Kollektivs in Asien geht am 3. November 2000 mit einem Kollektiv in Indien online. Erst zwei Jahre später gründet sich in Mumbai ein weiteres lokales Indymedia-Kollektiv (21.Juli 2002). Andere Kollektive in den verschiedenen asiatischen Regionen entstehen in Westasien in Israel (3.11.2001), Palästina (25.02.2002), Jerusalem (25.03.2002, nicht mehr aktiv), Beirut (16.07.2003) und Armenien (21.07.2005); im asiatisch-europäischen Raum in Russland (27.02.2001) und Istanbul (18.01.2003) und in Ostasien/Ozeanien in Jakarta (09.11.2001), Japan (05.03.2003), Manila (09.10.2003), Burma (17.11.2004) und Quezon City (Philippinen) (23.12.2004).

Zudem existieren in Asien weitere nicht offiziell assoziierte Websites, zum Beispiel das Taiwan IMC, das bereits seit dem 10. Juli 2004 online ist oder Indymedia South Korea, das seit dem 7. März 2005 ein Blog führt und sich derzeit in einem Assoziierungsprozess nach den Prinzipien des Indymedia-Netzwerks befindet. Daneben finden sich andere nicht assoziierte Websites, die unberechtigt unter dem Namen Indymedia operieren, wie zum Beispiel die nicht mehr aktive Website Indymedia Thailand (Abruf 5. Februar 2006).

2 Globale Verteilung von Indymedia-Kollektiven

Die folgende grafische Übersicht veranschaulicht die globale Verteilung des Netzwerks. Auffallend ist: 71,18% aller Kollektive mit eigenen Webpräsenzen bildeten sich in Nordamerika und Europa. Der Rest der Kollektive verteilt sich auf die übrigen Weltregionen.

Die meisten Indymedia-Kollektive finden sich in den USA mit 61 lokalen Gruppen (Ende 2005), gefolgt von Kanada mit 12 Kollektiven. Europa rangiert an zweiter Stelle mit 28,24% der Kollektive mit eigenen Websites. Indymedia ist auch in hoch technologisierten asiatischen Ländern bisher nicht vergleichbar stark vertreten wie in Europa und den USA. Dies ist trotz der starken Verbreitung des Internets und einer zunehmenden Internetaffinität vor allem in den Zentren Asiens der Fall [2].

Darstellung: Globale Verteilung von Indymedia-Kollektiven am 3.Januar 2006

Darstellung: Globale Verteilung von Indymedia-Kollektiven am 3.Januar 2006

Gründe und Ursachen für die ungleiche globale Verteilung von Indymedia-Kollektiven sind neben dem unzureichenden Zugang zum Internet in vielen Regionen nicht immer ausschlaggebend. Im Netzwerk wird dieses Problem zwar oft auf einen Mangel an Ressourcen und Wissen von potentiell Interessierten zurückgeführt, jedoch ebenfalls auf Kommunikationsprobleme und Sprachbarrieren durch eine englischzentrierte Kommunikation innerhalb des Netzwerks, sowie eine technikfokussierte Sichtweise von Aktiven.

[quote]„fact is that in most imcs i know mostly already quite priviledged white male students do the bigger part of the work cause they have enough money without having to work much, plus the technical knowledge and hard ware.“ (Anna, 27 Juni 2004)[/quote]

Die Gründe für die Konzentration von Kollektiven in Nordamerika und Europa sind jedoch nicht ausschließlich auf das Netzwerk zurückzuführen. Im Gegensatz zur Zeit der Gründung Indymedias 1999, stehen Internetnutzern heute eine Reihe von neuen kostenlosen Diensten – Blogs, Podcasts etc. – für die unabhängige Berichterstattung im weiteren Sinne zur Verfügung. Sie lassen ebenfalls eine einfache Publikation von Informationen zu. Hier kann für die Nutzer ferner als Vorteil gelten, dass der Produzent von Beiträgen in der Regel eine größere Kontrolle über die eigenen Beiträge innehat als bei Indymedia. Er kann sie auch nach dem ersten Posting noch verändern oder später gar wieder löschen. Dies ist bei Indymedia in der Regel nicht möglich.

In einigen Ländern haben sich weiterhin kommerzielle Medienprojekte etabliert (wie z.B. Ohmynews in Korea). Ohmynews bezieht seine Leser ebenfalls in das Publikationssystem mit ein. Erfolgreiche Beiträge von Nutzern werden zudem oft mit einem geringen Entgelt vergütet. Dies schafft einen weiteren Anreiz hier zu veröffentlichen. Andere Probleme Indymedia-Kollektive zu etablieren existieren in Ländern in denen eine starke Zensur ausgeübt wird und Internetangebote gefiltert und blockiert werden. Die Websites von Indymedia werden zum Beispiel in China und Singapur vollständig blockiert. Eine Mitarbeit in einem Indymedia-Kollektive kann hier als Konsequenz zu Gefängnisstrafen, wie Berichte von Reporter ohne Grenzen über Internetzensur in China belegen (vgl. Verdict in cyberdissident Li Zhi case confirms implication of Yahoo !, 27. Feb. 2006). Eine Erklärung zu Filtertechniken findet sich auch auf der Website von Indymedia [3].

[quote]„IMC China does not exist (yet?). One reason is that ch1nese g0vernment uses an internet f1ltering technique which will disallow acce55 (almost) anything the g0vernment does not like the countries' inhabitants to see. This f1lter can also trigger an advanced mechanism which will notify the author1ties that a possible non-conf0rmant person has accessed a disliked web site.“ (Indymedia Wiki, IMC China, 10 Aug 2005)[/quote]

3 Fazit

Indymedia-Kollektive haben sich auf allen Erdteilen etabliert. Die meisten Indymedia-Center haben sich zwischen 1999 und 2004 in der westlichen Welt und in einem geringeren, aber dennoch hervorstechenden Maße, in Lateinamerika gebildet. Das Wachstum hat sich hier im Jahr 2005 abgeschwächt. Nichtsdestotrotz muss dies nicht notwendigerweise als ein nachlassender Trend der unabhängigen Medienberichterstattung im Netzwerk von Indymedia interpretiert werden. Denn, bestehende Indymedia-Kollektive operieren fortlaufend weiter und sind für neue Mitglieder offen. Gleichzeitig entstehen Gruppen und Kollektive, die ohne eigene Webpräsenz operieren oder nur lokal und national verlinkte Webpräsenzen oder andere Kanäle, wie Blogs, für die Medienpublikation nutzen.

Außerhalb des Westens finden sich in anderen Weltregionen insbesondere in Bezug auf die Bevölkerungszahl bisher nur relativ wenige Indymedia-Kollektive mit eigenen Websites. Das Netzwerk wächst hier zwar weiterhin beständig, jedoch bisher nicht in vergleichbarer Geschwindigkeit und Umfang, wie zuvor in den westlichen Ländern. Hier ist ein Wachstumspotential unabhängiger Medienmacher vor allem im Hinblick auf den zunehmenden Zugang zum Internet vorhanden. Dennoch, letztendlich lässt die Auswertung der Zahlen dieser Regionen keine eindeutige Schlussfolgerung über die zukünftige Entwicklung der Anzahl von Kollektiven zu. Denn neben Fragen des Zugangs zum Internet, spielen für die Bildung von Kollektiven auf der einen Seite kulturelle Fragen eine Rolle. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, inwieweit sich Nutzer anderer Regionen, zum Beispiel aus Asien, in dem vorwiegend westlich-anglophon geprägten Netzwerk mit seiner spezifischen Netzwerkkultur und Geschichte wieder finden und dies annehmen. Sehen diese sich in der Lage das Netzwerk entsprechend ihrer Bedürfnisse zu nutzen und zu formen? Auf der anderen Seite existieren bereits zahlreiche andere kostenlose Publikations- und Kommunikationsdienste (die jedoch meist auf kommerzieller Basis operieren). Hierbei wird sich für Nutzer die Frage stellen, inwieweit das Netzwerk von Indymedia eine bessere und komfortablere Alternative bei der Informationsverbreitung und einen Mehrwert bietet. Im Hinblick auf die zunehmende Kontrolle von Regierungen, zum Beispiel in China (Chinas Ministerpräsident verteidigt Internet-Zensur), liegt dieser Mehrwert für die Mitarbeit im Indymedia-Netzwerk offensichtlich vor allem auch in der Möglichkeit der anonymisierten Verbreitung von Informationen. Diese können kommerzielle Anbieter oft nicht garantieren (Keiner gewinnt, der Datenschutz verliert). Ein Problem für Gruppen in Ländern mit restriktiver Zensur und Verfolgung von Dissidenten besteht jedoch darin, dass Vorraussetzungen für die Bildung transparent, offen und nachvollziehbar operierender Kollektive kaum gegeben sind. Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind jedoch wesentliche Grundsätze bei Entscheidungsprozessen im Indymedia-Netzwerk. Auch die in vielen Indymedia-Kollektiven oft üblichen Treffen in der nicht-virtuellen Welt könnten unter diesen Vorraussetzungen zum persönlichen Risiko für im Netzwerk engagierte Aktivisten werden.

 

 

Originalversion: Behling, Mario (Version: 15.03.2006): Das Wachstum des Indymedia-Netzwerks. Das erste global agierende alternative Mediennetzwerk. Frankfurt (Oder): Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). URL: www.student.euv-frankfurt-o.de/~euv-6136/Wachstum des Indymedia-Netzwerks.pdf.

 

_____________________________________

[1] Downing, J. D. H. The independent media center movement and the anarchist socialist tradition, in: Curran, J. & Couldry, N. (Hrsg.), Contesting media power; alternative media in a networked world, Oxford/UK 2003, S. 243–258.

[2] Aus einer Studie des Pew Internet und American Life Projects, die 13000 Internetnutzer in den USA zu ihrer Nutzung befragt hat, geht hervor, dass Amerikaner asiatischer Abstammung das Internet häufiger nutzen als andere Bevölkerungsgruppen. „Asian-American are far more likely to have used the Internet and are more likely to use it on a daily basis than whites, blacks or Hispanics.“ (Budha 2003: 89)

[3] Der Autor versucht Filtertechniken zu umgehen indem er Wörter absichtlich verändert. Für Menschen bleiben die Inhalte jedoch verständlich.

 

 

Janischkeit in Berlin: Auf Kosten Anderer (Folge 3)

Wieder in seinem blauen Hemd denkt Der Jan heute über den Frust und Reiz den viele am Ende des Tages verspüren nach. Wer lebt hier auf wessen Kosten? Der Jan: "Ich weiß nicht wer hier alles auf meine Kosten lebt, aber ich weiß auch genau ich lebe auch auf Kosten anderer…"

Google Video: video.google.com/videoplay?docid=5466509022319540084
YouTube: youtube.com/watch?v=j3MOYqE48KQ

Bush singt Lennon-Song „Imagine”

Bereits seit einigen Monaten findet im P2P-Netz ein Cover-Song des bekannten Lennon-Stücks „Imagine“ aus dem Jahr 1971 seine Verbreitung. Der Song wird offensichtlich vom amerikanischen Präsidenten George W. Bush gesungen. Inzwischen kursieren zahlreiche Remixes im Web (ein Download von Mediacracy hier). Doch es stellen sich mehrere Fragen: Erstens, wieso wurde der Song (eine Privataufnahme?) ins Internet gestellt? Und zweitens, wieso singt der Präsident des mächtigsten Landes der Welt gerade diesen Song oder stammt die Aufnahme doch von jemand anderen?

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Freifunk: Jetzt Umschalten! Vom Konsumieren zum Selbermachen!

Zum Freifunk-Community-Weekend kamen am Wochenende Freifunk-Enthusiasten aus ganz Europa in die C-Base nach Berlin, unter ihnen auch Stefan aus Zuzwil in St. Gallen. Er wollte sich vor allem über die Erfahrungen informieren, die andere beim Aufbau von Freifunk-Netzen gesammelt haben. Ich sprach mit ihm über seinen Besuch bei den Freifunkern in Berlin, seine Motivation für den Aufbau eines lokalen Freifunknetzes in Zuzwil und die Philosophie hinter Freifunk.

Mario: Gruezi Stefan!
Stefan: Hallo!

Mario: Warum bist du nach Berlin gekommen? Nur wegen des Freifunk-Community-Weekends?
Stefan: Ja, das ist richtig. Ich bin vor allem zum Erfahrungsaustausch hergekommen. Mich interessiert einerseits die technische Seite, andererseits die philosophische Seite von freien Netzwerken. Beim technischen Aspekt interessiert mich zum Beispiel das Antennenbauen. Wie funktioniert das? Was für Antennen gibt es? …die verschiedenen Typen. Ja, mir macht das Spaß das selber zu bauen und da habe ich gedacht, ich komme einfach her.

Mario: Was ist für dich das Spannende am Freifunk-Projekt?
Stefan: Das Umschalten vom Konsumieren zum Selbermachen. Die Freifunk-Software ist zum Beispiel Open Source, also quelloffen und unter einer freien Lizenz. Daher kann man bei Freifunk alles abändern und seinen Bedürfnissen und lokalen Bedingungen anpassen.
Freifunk das bedeutet – eine Gemeinschaft baut ein freies Netz auf, wo die Gemeinschaft miteinander kommunizieren kann – ganz unabhängig von kommerziellen Interessen. Es geht darum, dass die Einzelpersonen nicht wie Konsumenten behandelt werden und sich wie passive Konsumenten verhalten, sondern sie können aktiv daran teilnehmen.
Und bei dem Treffen hier in Berlin ist für mich auch das Spannende, wie die Idee von Freifunk von den Gruppen überall in Europa umgesetzt wird. Das passiert ganz verschieden. In jedem Projekt wird die Idee etwas anders angewendet. Das rührt daher, dass die Motivation ein Freifunk-Netz aufzubauen in verschiedenen Orten unterschiedlich ist. Freifunk dient zum Beispiel oft vor allem dazu Internet in Gebieten zu verteilen, wo kein Breitbandanschluss vorhanden ist. Doch der Community-Gedanke des lokalen Netzwerks tritt immer stärker in den Vordergrund. Und diese Idee einer freien Community ist für mich am interessantesten. Denn, in der Schweiz – da haben wir auch fast alle Breitbandzugang.

Mario: Hm, verstehe, und was kann man jetzt in so einem freien Netz machen?
Stefan: Ja, theoretisch ist es alles denkbar. Man kann alle möglichen Daten tauschen, Dienste anbieten, zum Beispiel freies Voice over IP… also sozusagen über den Computer telefonieren, freies Radio, Netzwerkspiele, Peer-to-Peer-Transfer und so weiter. Als praktisches Beispiel: Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel eine kleine unbekannte Band ihre Musik über das Netzwerk zum Hören zur Verfügung stellt.

Mario: Ok, aber was ist da der Unterschied zum Internet? Das geht doch heute schon im Internet.
Stefan: Das stimmt! Ein guter Punkt! Ja. Aber im Internet ist man darauf angewiesen, dass eine große Firma die Infrastruktur zur Verfügung stellt und ihre Dienste anbietet. Bei Freifunk kann jeder selber Mitmachen. Jeder Teilnehmer ist quasi Teil eines Ganzen. Und das Netzwerk gehört den Menschen, die daran teilnehmen. Somit können sie auch selbst aktiv bestimmen, was sie mit diesem Netzwerk machen. Wenn Sie den Wunsch haben einen Dienst zu nutzen oder anzubieten, müssen sie zum Beispiel nicht darauf warten, dass ihnen eine Firma ein Produkt anbietet. Wenn sie über das Wissen verfügen, können sie selbst jede Art von Diensten einführen. Zudem sind Freifunk-Netze an sich unabhängig vom Internet. In dem Sinne sind sie auch ausfallsicherer, denn wenn etwas einmal nicht funktioniert, muss man nicht warten bis die Firma kommt, sondern man kann es selbst machen oder sich von jemanden im Netzwerk helfen lassen. Das setzt natürlich aktive Nutzer und eine Philosophie der Nachbarschaftshilfe voraus.

Mario: Was benötigt man eigentlich um mitzumachen?
Stefan: Um mitzumachen benötigt man schon ein paar Sachen – einen Access Point, dann die Freifunk-Software und das Wissen zur Konfiguration. Es ist auf einigen Gebieten noch ein Experiment, aber es wird immer einfacher und es läuft bereits. Ja, es funktioniert! Um mitzumachen ist es, denke ich, aber am wichtigsten ein Interesse zu haben und im Kopf eine Entscheidung zu fällen: Nicht nur ein passiver Konsument zu sein, sondern ein aktiver Teilnehmer.

Mario: Wie weit seid ihr in Zuzwil mit eurem Freifunk-Netz?
Stefan: Ja, wir stehen noch ganz am Anfang. Ich bin der Erste, aber es gibt bereits zwei weitere Interessenten in meiner Nachbarschaft. Wir wohnen in einem kleinen Dorf und auch die Topologie in der Schweiz ist ganz anders als zum Beispiel in Berlin. Trotzdem jetzt geht es los!

Mario: Und was denkst du, wie wird es allgemein mit der europaweiten Freifunk-Community weitergehen? Was kannst du dir vorstellen?
Stefan: Ich kann mir vorstellen, dass man die verschiedenen Funkwolken über das Internet miteinander verbindet – zum Beispiel die Berliner „Freifunkwolke“ mit Leipzig, St. Gallen und Brüssel. Dann wären die interessierten Leute schon einmal näher zusammen. Das wäre ein weiterer Schritt zur Verbindung der europäischen Community. Daraus könnte sich eine eigene Netzkultur ganz unabhängig vom kommerziellen Internet bilden.

Mario: Ja! Ich bin gespannt! Klingt spannend! Danke für das Interview, Stefan!
Stefan: Kein Ursache. Danke auch.

 

Die Website der Community in St.Gallen: fuerstenland-wireless.net/

Janischkeit in Berlin: Jetzt darf ich auch mal! (Folge 1)

3:33 Minuten. Jans Perspektive auf das Leben in Berlin. "Warum erzähl ich euch das eigentlich? Weil jetzt jeder mal darf!" Jan berichtet darüber, wie es lang geht in dieser grauen Stadt, philosophiert "Über-Lebenskunst" und beantwortet euch die Frage, warum er eigentlich raucht. Drei Minuten gelabert und wieder nichts verändert?

You Tube: www.youtube.com/watch?v=0hB-x-OsE7Q
Google: video.google.com/videoplay?docid=-2187913903129277305