Vater des entführten Ajmal Naqshbandi sagt “Mein Sohn ist ein Journalist, nicht nur ein Übersetzer” und bittet um Freilassung

Soeben erhielt ich eine Email mit der Info, dass der Vater des zusammen mit dem bereits frei gelassenen Italiener Daniele Mastrogiacomo entführten Ajmals Naqshbandi NAI (nai.org.af) einen Brief überreichte. Darin fordert er, dass sein Sohn als Journalist bezeichnet wird. Hintergrund ist sicherlich, der Versuch die Aufmerksamkeit stärker auf seinen Sohn zu lenken und die verschiedenen Seiten dazu zu bringen, sich verstärkt, um das Freikommen des Afghanen zu bemühen. Viele Studenten mit denen ich über das Thema sprach, äußerten ihr Unverständnis über die Vorgänge. “Warum wurde der Ausländer frei gelassen und der Afghane nicht?” und “Warum musste ein Afghane sterben?”, fragen sie.

Ajmal Naqshbandi wurde vor mehr als zwei Wochen zusammen mit dem italienischen Journalisten Daniele Mastrogiacomo von den Taliban entführt. Der Italiener kam aufgrund eines Deals mit den Entführern frei. Fünf hochrangige inhaftierte Taliban wurden auf freien Fuß gesetzt. Im Gegenzug wurde Mastrogiacomo frei gelassen.

Der Fahrer von Mastrogiacomo wurde einige Tage zuvor von den Taliban getötet. Ajmal Naqshbandi befindet sich offensichtlich weiterhin in der Hand der Talibankämpfer. In der Berichterstattung wird er als Übersetzer bezeichnet, der für Mastrogiacomo tätig war.

Zusammen mit dem Brief übergab der Vater NAI eine Kopie des Presseausweises von Ajmal Naqshbandi, der ihn als “Assistent Correspondent” für die Tokyo Shimbun (bzw. die Chunichi Shimbun), eine japanische Zeitung, ausweist (www.tokyo-np.co.jp). NAI ist eine afghanische Medienorganisation die unabhängige Medien in Afghanistan unterstützt.

In dem Brief spricht Ajmals Vater die Talibankämpfer, die seinen Sohn entführten direkt an und bittet sie sich und seiner Familie einen “Gefallen” zu tun und seinen Sohn frei zulassen. Er sei lediglich als Journalist in der Provinz tätig gewesen und hatte keine anderen Ziele verfolgt. Hiermit spielt der Vater offensichtlich auf Vorwürfe der Taliban an, die behaupten bei den Begleitern von Mastrogiacomo handelt es sich um Spione ausländischer Truppen. Der Fahrer der Journalisten wurde aufgrund dieser Vorwürfe von den Taliban getötet. Er habe die Vorwürfe gestanden so ein Sprecher der Taliban.

In der afghanischen Bevölkerung scheint derweil der Unmut über die Geschehnisse zu wachsen. In meinen Gesprächen mit afghanischen Studenten tauchen immer wieder Fragen auf, wie: “Ist denn ein Afghane weniger wert als ein Ausländer?” oder Aussagen, wie: “Die Regierung sollte sich um den Afghanen genauso kümmern, wie um den Ausländer.” Der Tenor zeigt eine allgemeine Unzufriedenheit sowohl mit den Taliban als auch mit der Regierung in dem Fall. Wie die Situation in den Provinzen aussieht, kann ich allerdings nicht beurteilen.

Dubai – Kabul

Um 5.30 Uhr ziehe ich aus dem „Dreamland Hotel“ in Dubai aus. Am Flughafen treffe ich Jeff wieder. „Did you sleep well?“ „Oh my god! This Iranian lady last night!“, antwortet er. Offensichtlich hat er in der letzten Nacht nicht geschlafen. Wir checken in. Etwas verwirrend hier. Ein älterer Afghane in traditioneller Kleidung findet sich auch nicht zurecht. „Hey Dude back there is the end!“, weist Jeff ihn zurecht.

Der Flug nach Kabul mit Kam Air: Neben mir sitzt John aus Südafrika. Er arbeitet als Leibwächter für den japanischen Botschafter. Auf den Stühlen weiter rechts sitzt ein Afghane. Wir haben zwei Stewards und zwei Stewardess ohne Kopftuch. Eine der Flugbegleiterinnen ist Türkin. Sie hat das offensichtlich alles im Griff hier. Die Maschine ist etwa zu 2/3 besetzt. Stundenlang sehe ich nichts als Berge – graue, braune und schneebedeckte Berge Afghanistans soweit das Auge reicht.

Bei der Landung fliegen wir sehr nah an den Bergen Kabuls vorbei. Die militärische Zone des Flughafens ist riesig. Nach dem Aussteigen erst mal keine Fotos mehr, das ist sicherer. Draußen kommt ein Bus Marke Ikarus, die kenne ich von früher. Überall hektische Soldaten mit Gewehren auf der Schulter.

Ich stelle mich an der Schlange an, aber nach ein paar Minuten holt mich eine Sicherheitsbeamtin vor. Sirous erwartet mich dort. Er ist Angestellter bei Ariana, der afghanischen Fluggesellschaft, und wurde von Freunden geschickt um mich abzuholen. Die Zeiteinsparung von 15 Minuten soll mich dann auch gleich 20 Dollar kosten. Jemand hatte in der Zwischenzeit meinen Pass gestempelt und da ich nicht warten musste, soll ich jetzt bezahlen. Das finde ich ziemlich teuer. Ich frage Sirous, ob ich wirklich etwas geben muss, aber er weiß auch nicht so recht. Ich habe keine Dollar und gebe ihm 15 Euro, womit er nicht zufrieden ist. Er will mehr. Hm. Das fängt ja gut an hier.

Am Flughafen-Gebäude gibt es zwei riesige Plakate, eines mit Massud und eins mit Karzai. In das Gebäude dürfen nur Fluggäste und Sicherheitskräfte. Die anderen müssen draußen warten. Der Fahrer des Goethe-Instituts steht mit einem Schild vor dem Eingang. Auf der Straße vom Flughafen gibt es sehr viele Soldaten mit Gewehren. Der Krieg ist allgegenwärtig.

Dubai – Kabul

5.30 Uhr ziehe ich aus dem „Dreamland Hotel“ in Dubai aus. Am Flughafen treffe ich Jeff wieder. „Did you sleep well?“ „Oh my god! This Iranian lady last night!“, antwortet er. Offensichtlich hat er in der letzten Nacht nicht geschlafen. Wir checken in. Etwas verwirrend hier. Ein älterer Afghane in traditioneller Kleidung findet sich auch nicht zurecht. „Hey Dude back there is the end!“, weist Jeff ihn zurecht. Der Flug nach Kabul mit Kam Air: Neben mir sitzt John aus Südafrika. Er arbeitet als Leibwächter für den japanischen Botschafter. Auf den Stühlen weiter rechts sitzt ein Afghane. Wir haben zwei Stewards und zwei Stewardess ohne Kopftuch. Eine der Flugbegleiterinnen ist Türkin. Sie hat das offensichtlich alles im Griff hier. Die Maschine ist etwa zu 2/3 besetzt. Stundenlang sehe ich nichts als Berge – graue, braune und schneebedeckte Berge Afghanistans soweit das Auge reicht. Bei der Landung fliegen wir sehr nah an den Bergen Kabuls vorbei. Die militärische Zone des Flughafens ist riesig. Nach dem Aussteigen erst mal keine Fotos mehr, das ist sicherer. Draußen kommt ein Bus Marke Ikarus, die kenne ich von früher. Überall hektische Soldaten mit Gewehren auf der Schulter. Ich stelle mich an der Schlange an, aber nach ein paar Minuten holt mich eine Sicherheitsbeamtin vor. Sirous erwartet mich dort. Er ist Angestellter bei Ariana, der afghanischen Fluggesellschaft, und wurde von Freunden geschickt um mich abzuholen. Die Zeiteinsparung von 15 Minuten soll mich dann auch gleich 20 Dollar kosten. Jemand hatte in der Zwischenzeit meinen Pass gestempelt und da ich nicht warten musste, soll ich jetzt bezahlen. Das finde ich ziemlich teuer. Ich frage Sirous, ob ich wirklich etwas geben muss, aber er weiß auch nicht so recht. Ich habe keine Dollar und gebe ihm 15 Euro, womit er nicht zufrieden ist. Er will mehr. Hm. Das fängt ja gut an hier. Am Flughafen-Gebäude gibt es zwei riesige Plakate, eines mit Massud und eins mit Karzai. In das Gebäude dürfen nur Fluggäste und Sicherheitskräfte. Die anderen müssen draußen warten. Der Fahrer des Goethe-Instituts steht mit einem Schild vor dem Eingang. Auf der Straße vom Flughafen gibt es sehr viele Soldaten mit Gewehren. Der Krieg ist allgegenwärtig.

Richtung Kabul – Berlin, Frankfurt, einen Tag in Dubai und eine Nacht im Dreamland Hotel

Ein Jahr in Kabul. Ein kleine Odyssee – das Geld für den Flug geht vom Honorar ab, also suche ich mir die billigste Variante. Von Berlin geht es nach Frankfurt am Main für 28 Euro. Den Tag verbringe ich dort und nehme am Abend einen Flug nach Dubai für 198 Euro. Im besten Falle würde ich dort dann gleich noch einen Anschlussflug nach Kabul (für 220 US-Dollar) bekommen.
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Richtung Kabul – Berlin, Frankfurt, einen Tag in Dubai und eine Nacht im Dreamland Hotel

Ein Jahr in Kabul. Ein kleine Odyssee – das Geld für den Flug geht vom Honorar ab, also suche ich mir die billigste Variante. Von Berlin geht es nach Frankfurt am Main für 28 Euro. Den Tag verbringe ich dort und nehme am Abend einen Flug nach Dubai für 198 Euro. Im besten Falle würde ich dort dann gleich noch einen Anschlussflug nach Kabul (für 220 US-Dollar) bekommen. Das klappt leider nicht. In Dubai sind 23 Grad und die Sonne scheint. Und Angela Merkel ist auch gerad’ zufällig hier, das steht in den Zeitungen im Presseshop. Dubai! Ich spreche mit ein paar Ausländern am Flughafen. „Wie läuft es hier? Wie viel Geld muss man für ein Hotel ausgeben?“ 150 Dirham (Eurokurs 1:4,80), dafür soll man etwas ganz Anständiges bekommen, steht im Reiseführer von zwei deutschen Mädels, die die Reise hierher bei einem Preisausschreiben gewonnen haben. „150 Dirham, no you cannot get anything for this price.”, meint der indische Taxifahrer. “We have the festival now.” Was für ein Festival? „Shopping Festival. They come from all over the world for this festival.”, sagt er während er mich in einem ziemlich teuren Hotel absetzen will. Eigentlich kann ich das schon von Draußen sehen… Für 700 Dirham kann ich sofort etwas bekommen. Danke. Verärgert steige ich wieder ins Taxi und beschließe mich hier nicht mehr von dem Fahrer austricksen zu lassen. Ich brauche nur ein einfaches Hotel für ein paar Stunden, denn am nächsten Morgen fliege ich doch sowieso schon wieder weiter. Die nächste Ecke: Hier dieses Hotel! „Please stop here, I am gonna have a look.“ Dreamland Hotel, sieht ein bisschen aus, wie ein „Love Hotel“, aber egal. 300 Dirham und ich kann sofort ein Zimmer haben. Zimmer mit eigenem Bad, nicht prickelnd, aber ok. Auf 200 Dirham kann ich noch runterhandeln. Der Taxifahrer wollte unbedingt die ganze Zeit draußen warten. Jetzt verstehe ich warum. Die Taxis sind hier fast genauso teuer wie in Deutschland und für’s Warten bekommen sie auch Geld. Der Zähler läuft dann eben weiter. 30 Dollar will er, 10 hätte ich mir sparen können – gut das nächste Mal. Ziemlich müde schlafe ich erst einmal zwei Stunden bevor ich mich mit meiner Kamera auf den Weg mache. Erinnert mich an Malaysia hier… Ich laufe den ganzen Tag herum und mache Fotos und fühle auch gleich wie die Sonne mir sofort einen leichten Sonnenbrand bereitet. Frisch gepresste Fruchtdrinks gibt es an jeder Ecke und Kebap. Hm, Kebap habe ich doch in Berlin und jetzt hier das Gleiche! Irgendwann hole ich mir trotzdem einen, denn sie sind ja doch ein bisschen anders. Da sitze ich mit einem nigerianischen Businessmann am Tisch und beginne zu verstehen, dass ich jetzt wirklich nicht mehr in Europa bin. Wahrscheinlich ganz gut so mit der Zwischenlandung, bevor ich in Kabul bin – so ist es nur ein Kulturschock auf Raten. Hier gibt es neben den Arabern auch viele andere Leute z.B. aus Indien, Bangladesh, China oder aus afrikanischen Ländern, dazwischen immer wieder Touristen aus Russland und der Ukraine. Einige scheinbar einheimische Mädels laufen ziemlich freizügig herum (ev. auch Gastarbeiterinnen aus den Philippinen). Das hätte ich nicht erwartet, aber das wird mir in Afghanistan nicht passieren. Ab morgen beginnt „der Ernst des Lebens“. Dann kommen die Dari-Wörterbücher zum Einsatz. Um 8 Uhr werde ich abfliegen und zwei Stunden weiter bin ich in Kabul. Vorher gibt es aber noch eine Überraschung im Hotel – Dreamland Hotel. Bei dem Namen eigentlich kein Wunder. Ich bin in einem echten Party-Hotel gelandet. Unten arabische Party und oben im ersten Stock tanzen die Mädels aus Indien. Also, vorne haben die Mädels wie in den indischen Filmen getanzt und rundherum standen Tische, wo die Männer starr da saßen und ab und zu Geld über die Mädchen warfen. Und plötzlich kam dieser verrückte Mann auf die Tanzfläche und warf viele Scheine (aber wahrscheinlich alle mit niedrigem Wert) über die Mädels während er um sie herum tanzte. Schien also eine lustige Show zu sein. Ein Bier kann ich ja nehmen (Kosten 20 Dirham, Eurokurs 1:4,80). Ich setze mich hin. Neben mir ist Jeffrey aus den USA, lebt aber in Ecuador und arbeitet Zivil für die NATO in Afghanistan. Hm. Was für ein Zufall! „Ja!“„…billiges Hotel in Dubai gesucht und hier gelandet, hm?“. „Yes“, meine ich. Jeffrey hat Alkohol verkauft in Kabul und wurde jetzt runtergestuft im Job. Ist nur noch Chief of Staff oder so für die ausländischen Angestellten vom Flughafen. In Ecuador kann er sich auch nicht mehr sehen lassen, denn da hat er es sich mit der Regierung versaut. Ich habe von amerikanischen Flugzeugen gehört, die aus Kolumbien kommen und über die Grenze fliegen und dort Gift gegen Marijuhana versprühen. Ja genau das hat er gemacht, aber hat damit aufgehört, als er mitbekommen hat, dass das das Grundwasser vergiftet und den Kindern der Region schadet (sagt er). Kommt mir vor wie in so einem amerikanischen Rambo-Film hier alles. Und was ist das hier für ein Hotel, frage ich. Die indischen Mädchen sind nicht zum „Kauf“. Ist ja gut so. Kein Problem. Doch er kennt jemanden, der mir trotzdem ein Mädchen besorgen könnte, wenn ich will. Preislage 100 Bucks (US Dollar) für eine Stunde, 200 Bucks für länger. Das lehne ich aber ab. Ist ja nicht unbedingt notwendig. Außerdem bestätigt er noch, dass es in Kabul chinesische Prostituierte gibt. Angeblich bekommen diese pro Monat 600-800 Dollar vom chinesischen Geheimdienst, der ab und zu kompromittierende Fotos und Videos von jemanden braucht oder einmal brauchen könnte. Die Mädchen werden trotzdem stark in Anspruch genommen, meint Jeff. Ok, das sind wirklich interessante Infos. Um drei ist Schluss mit Party in Dubai – Sperrstunde. Gut, dann kann ich noch zwei Stunden schlafen bevor ich zum Flughafen muss.

Kabul / Teheran 1979 ff.

Kürzlich erschien das Buch „Kabul / Teheran 1979 ff.,“ von Sandra Schäfer, Madeleine Bernstorff und Jochen Becker. In dem Interview mit Saghar Chopan stellt Sandra Schäfer das Buch vor, das als eine Art Fortsetzung eines Filmfestivals entstand.Direkter Link: video.google.de/videoplay?docid=-5794359148648408443 Mit zahlreichen Bildern und Beiträgen verschiedener Autoren werden die Veränderungen in Kabul und Teheran nach der iranischen Revolution 1979 nachvollzogen und gezeigt wie sich der Wandel im Medium Film präsentiert. Im Hinlick bauf die Veränderungen in den Städten sind weitere Hauptthemen des Buches die Stadtentwicklung und Migration aus Afghanistan und im Iran. Buch: Sandra Schäfer, Madeleine Bernstorff, Jochen Becker (Hg.): Kabul / Teheran 1979 ff., b_books, Berlin

Freie Kunstszene von Kabul

In Kabul konstituiert sich gegenwärtig eine junge freie Kunstszene. Felicia Herrschaft und Philipp von Leonhardi konnten einige Künstler dieser Szene kennen lernen und einen Teil ihres Schaffungsprozesse beobachten und miterleben. Folgend haben sie mit ihnen in Deutschland in der Nähe von Frankfurt am Main eine Ausstellung organisiert. Als nächstes veranstalten sie einen Workshop in Kabul und planen die Berichterstattung mit Afghanen von der Documenta in Kassel.Direkter Link: video.google.de/videoplay?docid=-4444938612946786077 Im Interview mit Saghar Chopan berichten Felicia und Philipp über die Situation der Kunstszene in Afghanistan. In Kabul gibt es drei Kunsthochschulen. Hier wird weitestgehend traditionell gearbeitet. Es gibt eine starke Kopistenschule, wo in erster Linie alte Werke abgemalt oder kopiert werden. Wohl vor allem aus diesem Grund hat sich daneben eine eigene unabhängige Bewegung – die freie Kunstszene – in Afghanistan entwickelt. Künstler haben sich hier zum Beispiel im CCAA, dem Center for Contemporary Art in Afghanistan, zusammengeschlossen. In diesem Umfeld entstehen moderne Arbeiten von Künstlern, die eigene Ausdrucksformen entwickeln und verschiedene Kunstformen miteinander verbinden. Ganz selbstverständlich beziehen sie Videos und Fotos in ihre Arbeiten ein. Thematisch geht es bei diesen Künstlern häufig um die mit dem System- und Regimewechsel verbundenen Veränderungen und Freiheiten. So thematisieren sie zum Beispiel die „neuen“ Freiheiten der Frauen und sowohl positiv wie auch kritisch.

Es gibt keine Dörfer in Afghanistan – Wir müssen uns von westlich geprägten Kategorien verabschieden

Saghar Chopan im Gespräch mit Dr. Conrad Schetter. Herr Dr. Schetter beschäftigt sich im Bereich der politischen Wissenschaften mit lokalen Macht- und Entscheidungsstrukturen in Afghanistan. Der gegenwärtige Forschungsschwerpunkt liegt in der Region Kundus in Nordafghanistan: „Es geht darum wie jenseits des Staates politische Entscheidungen von der lokalen Bevölkerung getroffen werden.“Direkter Link: video.google.de/videoplay?docid=2170641658676517346 Herr Schetter plädiert dafür, dass sich Forscher von „unseren modernen“ westlich geprägten Kategorien lösen müssen: „Wir haben eine ganz einfache Kategorie festgestellt von der wir glauben, dass sie auf der ganzen Welt zu finden ist: Das Dorf. Wir finden in Afghanistan kaum ein Dorf (… oder in der Region in der wir gearbeitet haben). Hier sind Gemeinschaften nicht in Dörfern, Territorien organisiert, sondern Gemeinschaften sind in verschiedenen Verbänden, Netzwerken, Interaktionsmustern miteinander verwoben, aber das Dorf als solches finden wir nicht. Und das ist eine Sache, die in Afghanistan faszinierend zu beobachten ist – dass wir mit unseren modernen Kategorien … in Afghanistan scheitern. Deswegen auch zu der Frage eines Staates, der gegenwärtig in diesem Land aufgebaut werden soll: Wo finden wir überhaupt den Staat in diesem Land?“ Weiterhin erfahren wir im Interview mehr über die persönliche Motivation von Herrn Schetter sich mit Afghanistan zu beschäftigen und das Bild, dass er sich bei der Forschung zu Afghanistan machen konnte: In Afghanistan zeigt sich, dass trotz des langen Krieges in vielen Bereichen bestimmte Spielregeln und Legitimitäten herrschen. Diese wurden beim Wiederaufbau bisher kaum oder nur unzureichend genutzt, könnten aber in der Tat eine Chance in diesem Prozess bilden.

Die Menschen Afghanistans hinter der Forschung nicht vergessen

Saghar Chopan spricht mit Dr. Yahya Wardak. Er lebt seit 14 Jahren in Deutschland und stammt aus der gleichnamigen Provinz in Afghanistan. Vor zwölf Jahren startete er das afghanische Informationszentrum www.afghanic.de.Direkter Link: video.google.de/videoplay?docid=-6999924630349619567 Das Afghanistan Information Center katalogisiert Medien über Afghanistan in europäischen und afghanischen Sprachen und stellt dies interessierten Partnern, NGOs, Studenten und Organisationen zur Verfügung. Mit einem Verein in Hamburg veranstaltet das Zentrum weiterhin die Afghanistan-Wochen, die zum Ziel haben Deutsche und Afghanen zusammen zu bringen und den kulturellen Austausch zu fördern. Bei den vielen Veranstaltungen entstanden zahlreiche Freundschaften. „Ich habe meine Frau auch im Rahmen dieser Veranstaltungen kennen gelernt.“… „Und einige Deutsche haben hier zum Beispiel hier den afghanischen Atan-Tanz kennen gelernt. Ich kann mich daran erinnern, dass wir bis … um vier Uhr in der Nacht getanzt haben.“ Daneben ist der wissenschaftliche Austausch ein Grundanliegen des Vereins. „Wir bekommen immer wieder Anfragen. Die Wissenschaftler wissen nicht, wer sich mit welchen Themen beschäftigt.“ Das Zentrum möchte die Forscher nun zusammenführen und mit Hilfe einer Internetplattform vernetzen. Abschließend gibt Herr Dr. Wardak den Forschern, die sich mit Afghanistan beschäftigen, auf den Weg, dass sie bei ihrer Forschung die Menschen dahinter – das Menschliche – nicht zu vergessen und sich auch auf einen partnerschaftlichen Austausch mit diesen Menschen einzulassen. „Ich denke dadurch bekommt man als Forscher für sich noch vielmehr davon“.

Afghanistan: Auf dem Weg zum demokratischen Staat

Saghar Chopan im Gespräch mit Janine Weber: Janine Weber schreibt gegenwärtig an ihrer Diplomarbeit über Afghanistan und den Weg des Landes zu einem demokratischen Staat. Anhand eines Kriterienraster untersucht sie die Situation in Afghanistan und beleuchtet verschiedene Teilbereiche wie die politischen Institutionen, die allgemeine Sicherheitslage, Einkommen der Bevölkerung und die Rolle der Korruption. Aufgrund der Sicherheitslage konnte Janine bisher keine Forschung vor Ort betreiben. Persönliche Kontakte nach Afghanistan sollen dieses Defizit ausgleichen und eine Analyse des Aufbaus unter den Kriterien der Nachhaltigkeit ermöglichen.Direkter Link: video.google.de/videoplay?docid=-8322295369453942607 Der zeitliche Horizont für eine progressive Entwicklung Afghanistan ist nach dem Einblick von Janine relativ eng. „Wir haben die Phase, dass wir viel investiert haben (ein wenig an Zeit, gemessen an der Geschichte Afghanistans), viel an Engagement, einiges an Geld (weniger für Entwicklungshilfe), aber wir befinden uns an einem sensiblen Prozess für die Menschen auch. Es muss sich jetzt in die eine oder andere Richtung entwickeln, sonst … kann es passieren, dass das Land auch wieder kippt.“ Zahlreiche Hindernisse stehen der Demokratisierung Afghanistans entgegen. Janine: „(Vor allem) Armut ist immer ein großes Problem, wenn es darum geht, dass man eine Situation stabilisieren will. Ich kann nicht mit jemanden über friedliche Konfliktlösung reden, wenn derjenige Hunger hat. … Aufgrund der Modernisierungstheorie gibt es so etwas wie ein Gesetzmäßigkeit, die besagt, dass eine Demokratie oder ein Staat, der seinen Bürgern ein Pro-Kopf-Einkommen von unter 1000 US-Dollar, dass dieses politische System zumeist fragil ist und dass dieses politische System selten eine Demokratie ist. … Zum Punkt Korruption: Was ist Korruption? Wenn man sich außerhalb fest legitimierter Regeln bewegt und versucht andere Wege miteinander zu finden. … (Aber) wenn vieles auf informeller Ebene passierte, vieles durch nicht standardisierte Verfahren geregelt ist, dann muss man sich (dennoch) fragen, ob wir den gleichen Eindruck von Korruption haben, wie ihn Afghanen verwenden, die sich in einem ganz anderen System bewegen.“ Weiterhin spricht Janine über den Lernprozess demokratischer Regeln in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und des Staates und die Problematik der regionalen Abhängigkeitsverhältnisse der Menschen.